Idee und Konzept von Dominik Heidegger. DATUM 15.Mai.2025.
Einleitung
In einer Welt, die von Schlagzeilen über Krisen, Spaltungen und dystopische Zukunftsszenarien dominiert wird, wirkt das Serienkonzept „Der Mensch von Gestern“ erfrischend anders. Statt noch einer Warnung vor einer dunklen Zukunft zeichnet diese fiktionale Miniserie (6–7 Folgen à 45 Minuten) das radikale Gegenbild: Eine funktionierende, utopische Zukunftsgesellschaft, die den Menschen heilt, anstatt ihn zu brechen. Jede Folge stellt einen Menschen von heute – gezeichnet von Konflikten, Traumata oder Zynismus – in diese Zukunft und lässt ihn dort aufblühen. Diese narrative Umkehrung – nicht der Mensch verändert die Welt, sondern eine bessere Welt heilt den Menschen – verleiht der Serie eine einzigartige philosophische und emotionale Tiefe. Utopisches Storytelling dient hier als bewusster Gegenentwurf zur gegenwärtig dominierenden Dystopie: Wo Reihen wie Black Mirror oder The Handmaid’s Tale dunkle Zerrspiegel unserer Ängste entwerfen, setzt „Der Mensch von Gestern“ auf Hoffnung, Heilung und die Kraft funktionierender Systeme. In Zeiten, in denen „eigentlich alles an der Zukunft dystopisch“ erscheint und viele junge Menschen kaum noch eine positive Vision für morgen kennen, könnte diese Serie zum kulturellen Hoffnungsträger werden.
Dieser Artikel nimmt das Konzept unter die Lupe: Was macht „Der Mensch von Gestern“ besonders, wo steht es im Vergleich zu ähnlich gelagerten Serien, und warum ist es gerade jetzt relevant? Dabei verbinden wir erzählerische Tiefe mit analytischer Klarheit und kultureller Reflexion. Von Hannah Arendts Gedanken zur Neubeginn-Fähigkeit des Menschen über Erich Fromms Hoffnung auf eine „geistig gesunde“ Gesellschaft bis zu Donna Haraways Aufruf zu neuen Erzählungen – wir spannen den Bogen zwischen Kulturwissenschaft und Popkultur. So wird deutlich, wie dieses Serienkonzept real existierende gesellschaftliche Spaltungen – ob Armut, Leistungsdruck, Geschlechterrollen oder Ideologie – durch utopische Begegnungen thematisiert und letztlich entschärft.
Konzeptbeschreibung
Im Zentrum von „Der Mensch von Gestern“ steht ein erzählerisches Gedankenexperiment: Was, wenn wir einen Menschen von heute in eine perfekte Zukunft versetzen? Jede Episode erzählt in sich abgeschlossen die Geschichte einer Person aus unserer konfliktreichen Gegenwart, die plötzlich in einer weit fortgeschrittenen Zukunftsgesellschaft aufwacht. Anders als in klassischen Fish-out-of-Water-Storys oder dystopischen Zeitreisen begegnet die Zukunft den Verirrten von gestern nicht mit Abwehr, Strafe oder Überforderung, sondern mit struktureller Geduld, emotionaler Intelligenz und sozialem Lernen. Die fremde Welt nimmt den Protagonisten an die Hand. In gewisser Weise wird die Gesellschaft selbst zur heimlichen Hauptfigur – ein fürsorglicher Akteur, der den individuellen Gast behutsam durch einen Heilungsprozess führt.
Narrative Umkehrung: Diese Prämisse kehrt das gängige Narrativ um. Normalerweise sehen wir den Held oder die Heldin, der/die eine fremde Welt verändern oder retten muss. Hier ist es umgekehrt: Eine bessere Welt verändert den Menschen. Jede Episode zeigt, wie die Utopie den „Mensch von Gestern“ durch Verständnis und Beispiel transformiert. Ein Beispiel: Stellen wir uns eine von Misstrauen und Zynismus geprägte Person vor, die in eine Gemeinschaft gelangt, in der Transparenz und Vertrauen das Fundament sind. Anfangs erwartet dieser Mensch vielleicht Manipulation oder versteckte Agenda – doch stattdessen erlebt er**/sie eine Kultur radikaler Offenheit und Empathie. Die Folge: tiefsitzende Abwehrmechanismen lösen sich, Zynismus weicht Staunen und schließlich Zuversicht. So erlebt es in jeder Episode ein anderer Protagonist, ob eine ausgebrannte Managerin, ein gewaltgeprägter Soldat oder eine marginalisierte Kämpferin – sie alle werden durch die Heilkraft eines besseren Systems verwandelt.
Utopisches Storytelling als Gegenmodell: Indem die Serie beständig positive Zukunftsbilder entwirft, stellt sie sich bewusst gegen den Trend der Dystopie. In den letzten Jahren waren Zukunftsvisionen in Film und Fernsehen fast gleichbedeutend mit Untergang, Überwachung oder sozialem Zerfall – die kulturelle Fixierung auf Zombies, Autoritarismus und Apokalypse ist omnipräsent. Laut der Produzentin Kathryn Murdoch war „das letzte Mal, dass wir von einer besseren Zukunft träumten, tatsächlich in ‚Star Trek‘ der 1960er“. „Der Mensch von Gestern“ knüpft hier an und aktualisiert den utopischen Geist für das 21. Jahrhundert: Es zeigt keine naive Perfektion, sondern eine lernende Gesellschaft, die Probleme konstruktiv angeht. Dieses Plan–Do–Test–Adapt-Prinzip (PDTA) durchzieht die Erzählung. So wie in agilen Entwicklungsprozessen wird auch hier geplante Veränderung im kleinen Maßstab erprobt, die Wirkung geprüft und dann angepasst. Übersetzt ins Erzählerische könnte man sagen: Die Zukunftsgesellschaft reagiert flexibel auf die Herausforderungen, die der „Gast von gestern“ mitbringt. Anstatt Konflikte eskalieren zu lassen, experimentiert das System mit Lösungen – sei es durch spezielle Mentor*innen, simulierte Szenarien oder partizipative Rituale – und passt sich an, bis der Mensch sich in die neue Welt eingefügt hat und daran gewachsen ist. Jede Episode folgt damit einem impliziten PDTA-Zyklus: Planen (Verstehen des individuellen Problems des Neuankömmlings und Entwurf einer Maßnahme), Durchführen (der utopische Versuch, den Menschen einzubeziehen oder zu heilen), Testen (Beobachten von Rückschlägen, emotionalen Reaktionen, Lernerfolgen) und Anpassen (Verfeinern der Herangehensweise, bis eine Integration gelingt). Dieses iterative Vorgehen verleiht der Serie Dynamik und Glaubwürdigkeit – Konflikte werden nicht durch Wunder gelöst, sondern durch Lernen und Anpassung.
Philosophische und psychologische Tiefe: Trotz – oder gerade wegen – ihres optimistischen Grundtons verspricht die Serie Tiefgang. Jede Folge greift ein zentrales menschliches Thema auf: den Umgang mit Macht, die Heilung von Trauma, das Überwinden von Zynismus oder das Aufbrechen verkrusteter gesellschaftlicher Rollenbilder. So könnte eine Episode etwa einen früheren Machtmenschen (z.B. einen korrupten Politiker) zeigen, der in einer egalitären Zukunft seinen alten Reflex, andere dominieren zu wollen, verliert – schlicht weil ihm eine Umgebung begegnet, in der Macht nicht mit Zwang, sondern als Fähigkeit zum Miteinander definiert ist. Michel Foucault hat gezeigt, wie sehr unsichtbare Machtstrukturen das Verhalten der Menschen formen; „Der Mensch von Gestern“ demonstriert nun das Gegenteil: eine Machtordnung, die nicht repressiv wirkt, sondern befähigend. Andere Folgen könnten das Thema Trauma angehen – etwa eine Kriegsflüchtige, die in einer friedlichen Gesellschaft langsam lernt, ihrer Umgebung wieder zu vertrauen und ihre Hypervigilanz abzulegen. Hier spielen emotionale Intelligenz und Traumapädagogik der Zukunftsleute eine Rolle: Statt die Traumatisierte zu pathologisieren, bieten sie ihr Räume der Sicherheit, geduldige Zuhörer und sinnstiftende Aufgaben, bis die Wunden zu Narben verblassen. Ähnlich würde die Serie mit eingefahrenem Zynismus umgehen (vielleicht verkörpert durch einen frustrierten Künstler, dem die Zukunft zeigt, dass Idealismus doch Früchte tragen kann) oder mit Geschlechterrollen (z.B. ein „Macho“ aus der Gegenwart, der in einer postpatriarchalen Welt plötzlich mit ganz anderen, inklusiven Rollenbildern konfrontiert wird und dadurch Empathie und Verletzlichkeit entwickeln kann). Immer geht es darum, real existierende Spaltungen und Probleme unserer Zeit in der Utopie zu spiegeln – und aufzulösen. Hier schimmert das humanistische Gedankengut eines Erich Fromm durch: In Modern man is alienated from himself, from his fellow men, and from nature – der moderne Mensch ist von sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet –, doch eine gesunde Gesellschaft würde das verbinden, was getrennt ist. Genau dieses „Wiederverbinden“ (re-ligio im Wortsinn) leistet die Zukunftswelt von „Der Mensch von Gestern“: Sie heilt die Trennungen, unter denen die Figuren zuvor litten, sei es innere Zerrissenheit, soziales Misstrauen oder ideologische Verbohrtheit.
Serienkonzept (Kurzfassung):
Titel: Der Mensch von Gestern
Format: 6–7 Folgen à 45 Minuten (Miniserie)
Kernidee:
In einer Welt, die durch Zusammenarbeit, ökologische Intelligenz und sozialen Fortschritt geformt wurde, erscheinen einzelne Menschen aus unserer heutigen Zeit – jeweils mit einem spezifischen persönlichen oder gesellschaftlichen Konflikt. Anstatt diese Menschen zu verurteilen oder zu therapieren, nimmt die Gesellschaft sie auf – und zeigt in jeder Episode, wie sie mit unterschiedlichen Prägungen, Traumata oder Weltbildern umgehen kann.
Jede Episode steht für ein Thema unserer Gegenwart – aus Sicht einer Zukunft, die die Fehler von heute bereits hinter sich gelassen hat.
Struktur:
- Episode 1: Der Wütende
Ein Mann aus einer Welt voller Kampf, Kontrolle und ständiger Rechtfertigung landet in einer Gesellschaft, die nicht auf Provokation reagiert.
Er kommt voller Wut an – misstrauisch, laut, fordernd. Doch niemand schreit zurück. Niemand lässt sich einschüchtern.
Die Menschen begegnen ihm mit ruhiger Präsenz, klaren Grenzen und empathischer Begleitung. Statt Polizei gibt es Gesprächsräume.
Statt Strafe: Spiegelung. Seine Aggression verpufft, weil sie keine Bühne bekommt.
Er wird nicht bekehrt, sondern erlebt: Vertrauen ersetzt Kontrolle. Gemeinschaft ersetzt Macht. Zuhören ersetzt Durchsetzen.
Ein Kind stellt ihm die entscheidende Frage: „Wovor schützt du dich?“ – und damit beginnt seine Wandlung.
Am Ende hilft er, Strukturen für zukünftige Ankünfte aufzubauen.
Er hat gelernt: Stärke zeigt sich nicht im Kampf, sondern im Halten.
- Episode 2: Die Ideologin
Eine Frau, geprägt von klaren Weltbildern und Feinddenken, trifft auf eine Gesellschaft, die sich jeder einfachen Einordnung entzieht.
Sie kommt in eine Welt, in der es keine Gegenseite gibt. Keine Parteisymbole, keine moralische Hierarchie, keine ideologische Polarisierung.
Jeder Diskurs ist offen, vielstimmig und undogmatisch. Sie versucht, Position zu beziehen, provoziert mit Parolen, wartet auf Widerstand –
doch die Menschen antworten mit ehrlichem Interesse und strukturierter Uneindeutigkeit. Kein Gegenangriff. Kein Mitgehen.
Sie verliert die Orientierung: „Wo ist eure Haltung?“
Die Antwort: „Wir halten die Spannung aus.“
Ein weiser Mensch aus der Zukunft erklärt ihr:
„Wir haben gelernt, dass einfache Wahrheiten meist alte Schmerzen sind. Hier fragen wir weiter, statt zu schließen.“
Ohne ideologisches Echo beginnt sie, ihren Schmerz zu spüren – und erkennt: Ihr Weltbild war ein Schutzschild gegen Ohnmacht.
Am Ende wird sie Teil eines Erzählkreises, in dem Geschichte nicht bewertet, sondern geteilt wird.
Ihr Kampfgeist bleibt – doch er richtet sich nun nicht mehr gegen andere, sondern für Verbindung. - Episode 3: Der Statusmensch
Ein High Performer, der seinen Selbstwert über Leistung und Konsum definiert, erkennt, dass in dieser Welt Status keine Bedeutung hat – und dass er nie wusste, was er wirklich will. - Episode 4: Die Kontrollierte
Eine junge Frau, deren Leben von Angst und sozialen Zwängen geprägt ist (z. B. durch Social Media oder patriarchale Strukturen), erlebt zum ersten Mal, was Sicherheit wirklich bedeuten kann. - Episode 5: Der Traditionalist
Ein älterer Mann mit festgefahrenen Ansichten zu Familie, Geschlecht und Lebensmodellen wird mit sanften, funktionierenden Alternativen konfrontiert – und merkt, dass seine Prinzipien niemandem wehtun müssen, wenn sie offen gelebt werden. - Episode 6: Das Kind
Ein Jugendlicher, der nie Vertrauen gelernt hat, landet allein in der Stadt. Und die Gesellschaft stellt sich auf seine Sprache ein: Spiel, Neugier, Geduld. Kein Schulzwang, kein Zwang zur Anpassung – nur Einladung zur Entfaltung. - Finale – Folge 7: „Die Brücke“
Alle bisherigen Protagonist:innen – der Wütende, die Ideologin, der Statusmensch usw. – sind inzwischen integriert, aber nicht angepasst. Sie wurden nicht „repariert“, sondern begleitet, respektiert, verstanden – und haben selbst die Prozesse verstanden, durch die sie begleitet wurden.
Gemeinsam beschließen sie mit den ursprünglichen Bewohner:innen der Stadt, ein offenes Aufnahmezentrum zu gründen – ein Netzwerk für neue Ankommende.
Dabei stellen sie Fragen wie:
– Was hat mir geholfen?
– Was war schwierig?
– Wie hätten wir das besser machen können?
In einem rituell-ruhigen Setting (vielleicht am Rand der Stadt, bei einem großen Kreis oder im Grünen), definieren sie ein sich wiederholendes Modell:
Plan – Do – Test – Adapt.
Sie nennen es nicht PDTA – sie leben es einfach. Und die Zuschauer erkennen:
Diese Serie selbst war ein solcher Zyklus.
Am Ende: Ein leiser Ausblick – am Horizont erscheint ein neues Flimmern. Eine neue Person. Ein neues Thema.
Die Stadt ist bereit.
Einordnung im Serienmarkt
Angesichts dieser besonderen Mischung stellt sich die Frage: Wo würde „Der Mensch von Gestern“ im aktuellen Serienmarkt stehen? Auf den ersten Blick lassen sich Parallelen zu bestehenden Serien erkennen – doch ebenso entscheidende Unterschiede. Eine vergleichende Einordnung mit Black Mirror, The Good Place, Tales from the Loop, Station Eleven und dem Film Her verdeutlicht die Alleinstellungsmerkmale der neuen Serie.
- Black Mirror: Charlie Brookers Anthologie Black Mirror genießt Kultstatus als düster-satirischer Tech-Noir. Jede Episode steht für sich und zeichnet ein in sich abgeschlossenes Szenario – „jede Folge ist ein eigenständiges Kurzfilm-Universum“, so Brooker. Die Gemeinsamkeit mit „Der Mensch von Gestern“ liegt zunächst in dieser Anthologie-Form: Auch hier erwarten uns unabhängige Episoden mit wechselnden Protagonistinnen (den „Menschen von Gestern“). Doch damit enden die Überschneidungen fast schon. Tonal und thematisch sind die beiden Formate Gegenpole. Black Mirror hält der Gegenwart einen parabelhaften Zerrspiegel vor – oftmals mit schockierender Konsequenz und „extrem düsterer, geradezu bleierner Stimmung, einer Warnung gleich“. Technologie wird bei Brooker meist zum Verstärker menschlicher Abgründe; am Ende vieler Folgen steht Desillusion oder gar die Vernichtung der Hauptfigur. „Der Mensch von Gestern“ dreht dieses Muster um: Hier wird niemand durch die Zukunft zerstört, sondern erlöst. Wo Black Mirror dystopische Warnungen ausspricht, entwirft „Der Mensch von Gestern“ utopische Lehrstücke. Interessanterweise könnte man die Serie als eine Art „positives Spiegelbild“ von Black Mirror sehen: Beide konfrontieren einen Menschen mit einer fremden Gesellschaft – aber während der Protagonist bei Brooker an der kalten, technokratischen oder absurden Welt scheitert, wird er in „Der Mensch von Gestern“ von einer warmherzigen, lernenden Welt aufgefangen. Diese Gegenläufigkeit ist beinahe subversiv zu nennen im aktuellen Klima der TV-Landschaft. Die Zuschauerinnen, die bei Black Mirror eine gewisse dunkle Faszination erleben, könnten bei „Der Mensch von Gestern“ erfahren, wie es sich anfühlt, wenn einmal das Beste in uns wahr wird. Damit bedient die Serie ein Bedürfnis, das gerade erst erkannt wird: den Hunger nach hoffnungsvollen Zukunftserzählungen, den sogar große Medienhäuser spüren. So kommentierte eine NPR-Kritik jüngst, dass Dystopien allmählich „aus der Mode kommen“ – an ihre Stelle träten Protopien, realistisch bessere Zukünfte, wie schon Star Trek eine war. „Der Mensch von Gestern“ wäre genau so ein Prototyp einer Protopie im Serienformat.
- The Good Place: Die NBC-Serie The Good Place (2016–2020) von Michael Schur war in mancherlei Hinsicht ein Einhorn im Comedy-Bereich: Sie kombinierte Screwball-Humor mit handfester Moralphilosophie und utopischem Setting. Vier verstorbene Menschen landen (vermeintlich) im Paradies und versuchen, bessere Menschen zu werden – eine absurde Prämisse, die aber erstaunlich tiefgründige Fragen zu Ethik, Schuld und Charakterentwicklung stellte. Im Unterschied zu „Der Mensch von Gestern“ verfolgte The Good Place einen deutlich humoristischeren Ansatz; dennoch gibt es Berührungspunkte: Beide Serien nutzen ein jenseitiges Setting (Nachleben vs. Zukunft) als Spiegel für menschliches Verhalten und bieten ihren anfänglich fehlerhaften Figuren die Chance zur Läuterung. The Good Place war damit „eine rare Serie in dieser doom-and-gloom Ära, die dem Publikum erlaubt hat, herzlich zu lachen und zugleich den Wunsch zu verspüren, ein besserer Mensch zu werden“. Genau diese Mischung aus Unterhaltung und moralischer Reflexion strebt auch „Der Mensch von Gestern“ an, wenn auch in ernsthafterem Ton. Interessant ist der direkte Vergleich der „Welten“: Das Good-Place-„Paradies“ entpuppte sich als perfide Falle – das utopische Dekor diente einem dystopischen Experiment. Hier lag Schurs geniale Volte: Die Utopie war scheinbar, um die Charaktere (und das Publikum) aufzurütteln. Im Verlauf der Serie entwickeln die Protagonist*innen dann tatsächlich eine bessere Welt – sie reformieren das Jenseits-System. „Der Mensch von Gestern“ dagegen startet direkt mit einer funktionierenden Ordnung, die echt ist, kein Trick. Die Konflikte entstehen also nicht durch ein doppelbödiges System, sondern allein durch das Zusammenprallen von alter Mentalität und neuer Umwelt. Es geht weniger um moralische Punktesysteme oder theologische Fragen wie in The Good Place, sondern um gesellschaftliche Strukturen: Wie leben Menschen zusammen, wenn Armut überwunden ist? Wenn Arbeit nicht Zwang, sondern kreativer Selbstausdruck ist? Wenn Geschlechtergerechtigkeit verwirklicht wurde? Dennoch können wir uns vorstellen, dass „Der Mensch von Gestern“ ähnlich clever mit Theorie spielt wie The Good Place – nur statt Trolley-Problem und Kant'scher Ethik stehen hier vielleicht Hannah Arendts Überlegungen zu Pluralität oder Fromms Humanismus im Hintergrund. Während The Good Place dem Publikum fast unbemerkt eine Einführung in moral philosophy servierte (im Gewand von Gags und Twists), könnte „Der Mensch von Gestern“ behutsam soziologische und philosophische Einsichten einflechten: etwa dass eine wirklich gute Gesellschaft nicht statisch perfekt ist, sondern sich ständig überprüft und verbessert (Arendts vita activa lässt grüßen), oder dass Menschsein Freiheit zum Neubeginn bedeutet. So gesehen wäre „Der Mensch von Gestern“ eine Art ernsthafter Cousin von The Good Place – weniger Comedy, mehr kontemplative Science-Fiction, aber mit dem gemeinsamen Anliegen, den Wert des Guten im Menschen auszuloten.
- Tales from the Loop: Die Amazon-Anthologie Tales from the Loop (2020) lieferte leise, beinahe meditative Sci-Fi-Geschichten, inspiriert von den Retro-Futurismus-Gemälden Simon Stålenhags. In einem ländlichen Ort über einem Quanten-Forschungskomplex („The Loop“) spielten episodenhafte Geschichten, die technische Wunder (Zeitreisen, Parallelwelten, Robotermysterien) mit intimen Menschenschicksalen verknüpften. Kritiker beschrieben die Serie als „melancholische Sci-Fi-Anthologie voller stiller Bilder und kleinmaßstäblicher persönlicher Geschichten über Liebe, Einsamkeit und Verlust“. Tales from the Loop verlangte Geduld vom Zuschauer, belohnte aber mit „intim persönlich erzählten Geschichten und exquisiter visueller Kunstfertigkeit“. Hier ergeben sich deutliche Parallelen zu „Der Mensch von Gestern“: Auch diese Serie könnte in Ton und Tempo eher ruhig, nachdenklich und ästhetisch anspruchsvoll sein. Während Tales from the Loop jedoch vor allem Stimmungsbilder entwarf und nicht auf klare Auflösungen oder Lerneffekte zielte, hat „Der Mensch von Gestern“ einen didaktischeren Kern: Am Ende jeder Episode steht eine Transformation des Charakters, ein Aha-Moment oder eine Heilung. Wo Tales manchmal bewusst Fragen offen ließ und die Melancholie zelebrierte, dürfte „Der Mensch von Gestern“ eher hoffnungsvolle Konklusionen bieten – ohne trivial zu sein. Beide Serien teilen die Anthologie-Struktur und die Faszination für das Zwischenmenschliche im fantastischen Gewand. Man könnte sich vorstellen, dass Fans der einen auch an der anderen Gefallen finden: Wer die sanfte Elegie von Tales from the Loop mochte, würde in „Der Mensch von Gestern“ eine verwandte Atmosphäre finden – jedoch mit einem optimistischeren Fundament. Statt der Wehmut über verpasste Chancen (die Tales oft anstimmte) erklingt hier die Freude über zweite Chancen. Visuell ließe sich vielleicht sogar an Tales anknüpfen: Die „gebrauchte Zukunft“ (used future) Ästhetik – also keine sterile Utopie in Weiß, sondern eine organische, lebendige Welt mit Geschichte – könnte „Der Mensch von Gestern“ ebenfalls prägen. Allerdings wäre diese Welt nicht melancholisch verfallen, sondern blühend und harmonisch in ihrer Gebrauchtheit.
- Station Eleven: Die HBO-Max-Miniserie Station Eleven (2021), basierend auf Emily St. John Mandels Roman, zog Aufmerksamkeit auf sich, weil sie mitten in der Pandemie eine postapokalyptische Geschichte voller Menschlichkeit und Hoffnung erzählte. Nach einer tödlichen Grippe bildet sich 20 Jahre später eine vagabundierende Theatertruppe, die Shakespeare aufführt und Überlebenden Kultur bringt. Trotz Endzeit-Setting überraschte Station Eleven viele mit seinem hoffnungsvollen Tonfall – manche sprachen von „Hopepunk“, dem Genre des kämpferischen Optimismus. In einer Zeit, da TV-Zukunft oft mit Nihilismus gleichgesetzt wird, „wagte diese Serie eine andere Tonlage, indem sie trotz aller Dunkelheit nie die Resilienz des Menschen, die heilende Kraft der Kunst und die Bedeutung von Gemeinschaft aus den Augen verlor“. Genau hier knüpft „Der Mensch von Gestern“ an. Man könnte sagen, unser Serienkonzept verschiebt Station Eleven vom Nachher (Postapokalypse) ins Davor, bzw. in ein gänzlich präventiv-utopisches Szenario: Statt den Weg aus der Asche zu zeichnen, zeigt es eine Welt, die die Katastrophe längst verhindert hat – und nun denen hilft, die noch aus der alten, kaputten Zeit stammen. Dennoch ist der Geist ähnlich: Beide Erzählungen balancieren Licht und Schatten, erkennen die Realität von Leid und Verlust an, ohne darin zu verharren. „Der Mensch von Gestern“ könnte man als Hopepunk im Reinformat bezeichnen – es verzichtet ganz auf dystopische Ästhetik, behält aber den rebellischen Optimismus. Im Hopepunk (Begriff geprägt als Gegenstück zu Grimdark) geht es darum, dass Güte, Empathie und Zusammenhalt radikale Akte des Widerstands sein können. Unsere utopische Zukunftswelt verkörpert genau das: Sie widersteht dem Übel, indem sie konsequent auf das Gute setzt. Interessant ist, dass Station Eleven zwar Optimismus ausstrahlte, aber immer noch von einem Kollaps erzählte, der überwunden werden muss. „Der Mensch von Gestern“ überspringt die Katastrophe und präsentiert direkt das verheißungsvolle Danach. Man könnte kritisieren, dass dabei der dramatische Spannungsbogen fehlt, den eine Apokalypse liefert. Doch die Spannung unserer Serie entsteht auf subtile Weise: im inneren Kampf der Figuren, die ihre alten Gewohnheiten und Weltbilder abstreifen müssen. Die Frage „Kann ein zerstörter Mensch in einer heilen Welt genesen?“ ist mindestens so fesselnd wie „Können zerstörte Menschen in einer kaputten Welt überleben?“ – wenn nicht gar universeller. Insgesamt würde „Der Mensch von Gestern“ neben Station Eleven als deutlich utopischer und weniger actionreich erscheinen, aber beide teilen eine DNA: den Glauben an die unbeirrbare Flamme Menschlichkeit, die auch in finsteren Zeiten (oder finsteren Seelen) noch glimmt und nur entfacht werden muss.
- Her: Der Vergleich mit Spike Jonzes Film Her (2013) drängt sich vor allem wegen der ästhetischen und tonalen Gestaltung auf. Her präsentierte ein Zukunfts-Los Angeles ohne fliegende Autos und ohne Krieg – im Gegenteil, es war eine fast utopisch anmutende, sanft-technologische Welt: saubere U-Bahn-Stationen, Wolkenkratzer mit grünem Flair, warme Pastellfarben und leise Musik. Die Geschichte um einen einsamen Mann, der sich in ein KI-Betriebssystem verliebt, war im Kern eine Reflexion über Sehnsucht nach Verbindung in hochmoderner Umgebung. Bemerkenswert war, dass Her weder dystopisch noch utopisch platt war, sondern eine authentisch lebendige Zukunft zwischen Wohlgefühl und latenter Einsamkeit zeichnete. „Der Mensch von Gestern“ könnte von Her einiges übernehmen: etwa die Idee, dass Zukunftsvisionen visuell einladend und vertraut wirken dürfen, anstatt steril oder bedrohlich. Die Serie will ja gerade keinen Schockeffekt erzeugen, sondern eine Welt erschaffen, in der man als Zuschauerin selbst gerne leben würde – oder zumindest die Protagonistinnen ermutigen, sich darauf einzulassen. Dazu passen organische Architekturen, warme Lichtstimmungen, vielleicht auch eine Soundkulisse der Beruhigung und Hoffnung. In Her trug die subtile Filmmusik (Arcade Fire) viel zur melancholisch-optimistischen Atmosphäre bei; ähnlich könnte „Der Mensch von Gestern“ mit Klängen arbeiten, die Herz und Verstand öffnen, z.B. eine Mischung aus sanften elektronischen Ambient-Flächen und natürlichen Geräuschen (Wind, Blätterrauschen, fließendes Wasser), die zeigt: Diese Zukunft lebt im Einklang mit Mensch und Natur. Themenspezifisch ist Her natürlich anders gelagert – es geht dort um Liebe und Identität in Zeiten von KI. Doch gerade der einfühlsame Blick auf menschliche Gefühle inmitten einer fortschrittlichen Gesellschaft verbindet den Film mit unserem Serienkonzept. Beide beweisen, dass Science-Fiction nicht immer Kampf gegen Maschinen oder totalitäre Regime bedeuten muss, sondern dass auch leise, menschliche Geschichten in futuristischen Settings fesseln können. „Der Mensch von Gestern“ würde also im Fahrwasser von Her segeln, was die feinsinnige Stimmung betrifft, und zugleich weitergehen, indem es systemische Fragen stellt (die Her nur am Rande streift, etwa Einsamkeit trotz Vernetzung). Für ein Publikum, dem Her als „Zukunftsmärchen über die Liebe“ in Erinnerung blieb, könnte „Der Mensch von Gestern“ zum „Zukunftsmärchen über die Gesellschaft“ werden.
Zusammengefasst: Auf dem Serienmarkt von heute, wo Anthologie-Formate mit hohem Konzept (High Concept) durchaus beliebt sind, wäre „Der Mensch von Gestern“ einzigartig positioniert. Es verbindet die anthologische Vielfalt einer Serie wie Black Mirror mit der Herzenswärme und moralischen Fragestellung einer Serie wie The Good Place, der Visionskraft von Station Eleven’s Hoffnungspunk und dem stillen Zauber von Tales from the Loop – und greift die Ästhetik eines Films wie Her auf, der eine Zukunft zeigte, die man schmecken und fühlen konnte. Gerade weil es so wenige dezidiert utopische Serien gibt, könnte „Der Mensch von Gestern“ zur Antwort auf die unausgesprochene Sehnsucht vieler Zuschauer*innen werden: endliche eine Serie, die zeigt, was richtig laufen könnte, ohne langweilig oder naiv zu sein.
Bedeutung für die Gegenwart
Warum aber ist ausgerechnet jetzt die Zeit reif für „Der Mensch von Gestern“? Ein solches Konzept wäre vor einem Jahrzehnt womöglich belächelt worden – zu brav, zu unrealistisch. Doch die Gegenwart hat sich gewandelt: Nach Jahren der Dauerkrisen (Klimawandel, Pandemie, politische Polarisierung) macht sich eine spürbare Utopiemüdigkeit breit. Viele Menschen – insbesondere die junge Generation – blicken sorgenvoll oder resigniert in die Zukunft. Kathryn Murdoch berichtete 2024, ihre eigene Tochter habe gesagt, sie sehe „keine Hoffnung für die Zukunft“, weil alle Bücher und Serien nur Dystopien zeigen. Diese Stimmung ist alarmierend, denn gesellschaftlicher Fortschritt hängt davon ab, dass wir uns positive Ziele vorstellen können. Utopisches Denken ist der Motor jeder Reform. Hier setzt „Der Mensch von Gestern“ an: Die Serie liefert einen Gegenentwurf in der kulturellen Imagination. Sie fragt: Was, wenn es besser wäre? – und nicht nur „Was ist, wenn alles schlimmer wird?“. Damit wirkt sie beinahe wie ein therapeutisches Angebot an das Publikum von heute, ein kollektives Re-Framing: Stell dir vor, die Zukunft ist nicht dein Feind, sondern dein Freund, der dich an die Hand nimmt.
Die Relevanz zeigt sich konkret an den gesellschaftlichen Spaltungen, die uns derzeit beschäftigen. Ob Arm und Reich, Links und Rechts, Mann und Frau, Stadt und Land, Gläubig und Säkular – an vielen Fronten stehen sich Gruppen unversöhnlich gegenüber. Oft scheinen die Gräben unüberwindbar, was zu Zynismus oder Radikalisierung führt. „Der Mensch von Gestern“ bietet hier einen Gedankenexperiment-Raum: Indem es Menschen mit genau diesen Hintergründen in eine überwindende Zukunft versetzt, führt es vor, wie Verständigung und Heilung aussehen könnten. Beispielsweise könnte eine Episode einen ultrakonservativen Ideologen aus der Gegenwart zeigen, der in der Zukunft auf eine plurale, tolerante Gesellschaft trifft. Anfangs prallen Werte aufeinander; doch statt Cancel Culture oder Zwangsumerziehung erlebt der Zeitreisende, wie die Gesellschaft ihn nicht ausstößt, sondern geduldig integriert, ihm zuhört, aber auch kontrastierende Erfahrungen anbietet. Durch echten Dialog und positive Erlebnisse (etwa Gemeinschaftsarbeit mit jemandem, den er früher verachtet hätte) bröckeln seine Vorurteile. Ein solches Szenario wäre ein starkes Symbol für unsere reale Welt: Begegnung entwaffnet Ideologie. Ähnlich ließe sich das für andere Spaltungen durchspielen: Eine reiche Kapitalistin erfährt in der Zukunft eine Kultur der Post-Knappheit, wo Status nicht über Besitz definiert wird – das könnte ihr Leistungsdenken in Sinnstreben verkehren. Oder ein notorisch Leistungsfixierter (Workaholic) lernt in einer Gesellschaft ohne Existenzängste, Muße und Zusammenarbeit zu schätzen, was seinen Blick auf „Wert“ neu ausrichtet. „Der Mensch von Gestern“ zeigt, kurz gesagt, Lernprozesse statt Machtkämpfe. Es bietet Modell-Visionen, an denen wir unsere eigene Realität spiegeln können: So könnte es gehen, wenn man soziale Probleme mit einem Übermaß an Vernunft, Empathie und innovativen Strukturen angeht.
Kulturwissenschaftlich betrachtet knüpft das an Traditionen des utopischen Denkens an, die aktuell wieder an Bedeutung gewinnen. Die Philosophin Hannah Arendt betonte die Fähigkeit des Menschen, immer wieder neu anzufangen, als Wunder, das der Welt Hoffnung verleiht. In „Der Mensch von Gestern“ wird genau dieses Wunder zelebriert: Jeder Neuankömmling aus der Vergangenheit bekommt die Chance eines echten Neuanfangs, weil die Zukunftsgesellschaft ihm diese Möglichkeit schenkt. Arendts Konzept der Natalität – dass mit jeder Geburt ein neuer Anfang in die Welt kommt – wird hier metaphorisch erweitert: Jeder „Mensch von Gestern“, der in der Zukunft ankommt, ist wie neu geboren in sozialer Hinsicht. Die utopische Welt empfängt ihn wie verständnisvolle Eltern ein Neugeborenes empfangen, mit dem Glauben und der Hoffnung auf dessen Entwicklung. Damit liefert die Serie eine optimistische Antwort auf Arendts Frage, wie politisches Handeln und Wandel möglich sind: durch Vertrauen in die Gebürtlichkeit des Menschen – also den Glauben daran, dass Menschen sich ändern und Gutes hervorbringen können, wenn die Bedingungen es zulassen.
Auch Erich Fromm, einer der großen Humanisten des 20. Jahrhunderts, dürfte dem Kern von „Der Mensch von Gestern“ zustimmen. Fromm glaubte fest daran, dass wir „auf eine vernünftige Gesellschaft hoffen müssen*, die die Fähigkeit des Menschen fördert, seine Mitmenschen zu lieben, schöpferisch zu arbeiten und seine Vernunft zu entwickeln“. Genau diese geistig gesunde Gesellschaft (eine Sane Society im Fromm’schen Sinne) wird in der Serie vorweggenommen. Die utopische Zukunft ist kein Paradies voller passiver Glückseligkeit, sondern eine Gesellschaft, in der sich alle Mitglieder produktiv, kreativ und empathisch entfalten können – und diese Haltung nutzen, um den „Patienten“ aus der Vergangenheit zu helfen. Fromm kritisierte die moderne Welt als entmenschlicht, voller unglücklicher, vereinsamter Menschen, die sich selbst wie Waren behandeln. „Der Mensch von Gestern“ führt vor, wie das Gegenteil aussehen kann: eine Welt, in der Menschen wieder zu Subjekten werden, nicht Objekte; in der niemand mehr Ware oder Mittel zum Zweck ist, sondern jeder als einzigartiges Wesen gesehen wird, dem man auf Augenhöhe begegnet. Diese Wieder-Verzauberung des Zwischenmenschlichen ist ein stiller, aber kraftvoller Kommentar zur Gegenwart. Anstatt mit erhobenem Zeigefinger zu moralisieren, entfaltet die Serie die Sogwirkung eines positiven Beispiels. Sie könnte Zuschauerinnen in einen Zustand versetzen, den Fromm als produktive Sehnsucht beschreiben würde – das gespürte Verlangen nach einer menschlicheren Welt, das zugleich Antrieb ist, im eigenen Alltag Schritte in diese Richtung zu gehen.
Schließlich ist „Der Mensch von Gestern“ auch ein Statement über den Wert funktionierender Systeme. In der realen öffentlichen Debatte geht es oft um Systeme – ob sie „kaputt“ sind (das Klima, die Demokratie, das Bildungssystem) oder ob Reformen scheitern, weil Strukturen versagen. Die Serie hält dagegen: Stellt euch vor, es gäbe ein System, das funktioniert. Wie würde das aussehen? Und was würde es mit einem Menschen machen, der aus einem dysfunktionalen System kommt? Diese Frage zu stellen, ist zutiefst heutig, denn sie impliziert Kritik an unseren bestehenden Verhältnissen. Implizit gibt die Serie zu verstehen: Systeme prägen Menschen. Bei Foucault etwa lesen wir, dass Machtstrukturen unsere Identität formen; „Der Mensch von Gestern“ entwirft eine Machtstruktur, die durch Gerechtigkeit, Transparenz und Fürsorge geprägt ist – und somit Individuen hervorbringt, die vertrauensvoll, kreativ und kooperativ sind. Wenn man so will, ist jede Episode auch eine Case Study in Sachen soziales Engineering im besten Sinne: Wie müsste ein Bildungssystem, ein Gesundheitssystem, ein Wirtschafts- oder Justizsystem beschaffen sein, damit es einen vom Leben gezeichneten Menschen heilt statt ihn weiter zu beschädigen? Diese Fragen haben hochaktuelle Relevanz. Man denke an Debatten über Resozialisierung im Strafvollzug (bestraft das System oder heilt es?), an Diskussionen über psychische Gesundheit am Arbeitsplatz (burn-out-fördernde Leistungskultur vs. achtsame Unternehmenskultur) oder an die Integration Geflüchteter (Abwehr vs. Willkommenskultur). „Der Mensch von Gestern“ liefert keine simplen Patentrezepte, aber es macht etwas mindestens so Wichtiges: Es eröffnet Vorstellungsraum. In jeder Folge dürfen wir als Zuschauerin, als Zuschauer sehen, wie eine bessere Welt konkret mit Problemen umgeht – und das inspiriert dazu, vergleichbare Lösungen im Hier und Jetzt zu suchen. Donna Haraway, die feministische Denkerin, schrieb: „It matters what stories make worlds, what worlds make stories.” – Es kommt darauf an, welche Geschichten Welten erschaffen und welche Welten Geschichten. „Der Mensch von Gestern“ erzählt Geschichten einer besseren Welt und gibt uns damit narrative Werkzeuge in die Hand, um unsere eigene Welt neu zu denken. Gerade heute, wo so viele Erzählungen um Angst und Zerfall kreisen, ist eine solche Ermächtigung durch Utopie Gold wert.
Visuelle und klangliche Umsetzungsideen
Damit die visionären Inhalte von „Der Mensch von Gestern“ ihre volle Wirkung entfalten, muss die Umsetzung auf visueller und klanglicher Ebene überzeugen. Aus vorhandenen Moodboards und Referenzen lässt sich ein Bild einer Zukunft zeichnen, die zugleich wunderbar fremd und wohltuend vertraut erscheint.
Architektur und Design: Die gebaute Umwelt der utopischen Gesellschaft sollte deren Werte verkörpern. Man kann sich organische Städte vorstellen, in denen Architektur, Natur und Technologie eine Symbiose eingehen. Statt kalter Glas-Stahl-Türme à la Brave New World oder antiseptischer Korridore wie auf Sci-Fi-Raumschiffen sehen wir geschwungene Formen, viel Grün und öffentlich zugängliche Schönheit. Ein realweltliches Vorbild bietet etwa Singapurs urbanes Begrünungsprojekt: Riesige Gebäudegärten wie die Supertree Grove und vom Dschungel durchzogene Glasbauten demonstrieren schon heute, wie Solarpunk-Ästhetik aussehen kann. Solarpunk – eine Designströmung, die sich eine nachhaltige, hoffnungsfrohe Zukunft ausmalt – liefert generell die passenden Stichworte: Solarpaneele sind ästhetisch integriert, Fassaden von Wohnhäusern tragen vertikale Gärten, Plätze sind erfüllt vom Summen erneuerbarer Energietechnik, die wie Kunst wirkt. Die Kamera könnte immer wieder verweilen auf Szenen, die Harmonie zwischen Mensch, Technik und Natur zeigen: Kinder spielen zwischen Skulpturen, die zugleich Windräder sind; in den Straßen wachsen Obstbäume, von denen Passant*innen sich frei bedienen; Drohnen schweben lautlos und liefern medizinische Güter – nicht als Überwachungsbedrohung, sondern als hilfreiche Geister. Wichtig ist, dass diese Zukunft weder als bonbonbunte Fantasy daherkommt noch als sterile Perfektion. Gebrauchsspuren, individuelle Gestaltung und kulturelle Vielfalt sollten sichtbar sein: Streetart an den Wänden (denn kreative Freiheit wird geschätzt), unterschiedliche Kleidungsstile, die vielleicht traditionelle Muster mit futuristischen Materialien kombinieren (denn diese Utopie ehrt die Wurzeln der Menschheit, ganz im Sinne Donna Haraways, die Mischwesen und Hybride feiert). Auch Innenräume erzählen Geschichten: Eine Wohnung in dieser Zukunft hat vielleicht modulare Räume, die sich an Stimmungen anpassen, und Möbel aus nachwachsenden Rohstoffen, kombiniert mit Erbstücken – weil man die Vergangenheit nicht komplett auslöscht, sondern integriert. Insgesamt sollte das Produktionsdesign Wärme und Leben ausstrahlen. Wenn man an bekannte Zukunfts-Darstellungen denkt, dann weniger an die kühle Eleganz von Minority Report und mehr an die lebendige Fülle von z.B. Tomorrowland (Disney) oder die friedlichen Städte in Miyazaki-Filmen. Auch James Camerons Pandora (aus Avatar) – obwohl ein Alienplanet – hat Aspekte, die inspirieren: die Biolumineszenz, die organischen Formen. Allerdings bleibt „Der Mensch von Gestern“ urbaner, irdischer. Stellen wir uns z.B. ein Rathaus vor: nicht ein Betonklotz, sondern ein offenes Forum mit runden Holzelementen, Solarzellen als Mosaik auf dem Dach, ein Gebäude, das zugleich Park und Begegnungsort ist. Oder Verkehr: Autos sind vielleicht weitgehend passé; stattdessen schwebt eine Tram durch die Luft, Fahrräder und Fußgänger dominieren schöne, breite Promenaden. Solche Details transportieren subtil die Botschaft: Hier funktioniert es – und es sieht schön aus.
Visuelle Narrative: Zu den Moodboard-Ideen gehört womöglich auch der Einsatz von Farbe und Licht als erzählerisches Mittel. Die Gegenwart des „Mensch von Gestern“ könnte in kühleren, entsättigten Tönen gezeigt werden (um die Härte, Tristesse oder Enge seines ursprünglichen Lebens zu betonen). Sobald er in der Zukunft ankommt, öffnen sich Farbpalette und Kontrast – ohne kitschig zu wirken, eher wie wenn man aus einem Tunnel ins Freie tritt. Diese Welt hat Wetter, Wind und Jahreszeiten, aber selbst ein Regen dort wirkt reinigend, nicht schmutzig. Sonnenlicht und natürliche Beleuchtung spielen eine große Rolle, vielleicht ergänzt durch sanfte Neonakzente nachts, die an Nordlichter erinnern. Kameraführung und Schnitt dürften ruhiger sein als in Action-geladener Sci-Fi: längere Einstellungen, liebevolle Details, damit das Publikum die Zukunft erkunden kann. Aber in Momenten emotionaler Katharsis könnte die Inszenierung auch eindringlich werden – etwa eine subjektive Kamera, wenn der Protagonist anfangs überwältigt ist, oder traumartige Montage, wenn Erinnerungen der Vergangenheit mit der Gegenwart der Zukunft verschmelzen.
Klang und Musik: Auditiv muss „Der Mensch von Gestern“ eine Balance finden zwischen futuristisch und behaglich. Denkbar ist ein Score, der elektronische und orchestrale Elemente verbindet. Vielleicht ein Leitmotiv pro Episode, das die innere Reise des Protagonisten widerspiegelt: zu Beginn dissonant oder minimalistisch, am Ende harmonisch und voll. Naturgeräusche könnten prominent gemixt sein – das Zwitschern unbekannter Zukunftsvögel, das Rauschen von Bäumen auf begrünten Hochhäusern, Wasserläufe, die durch Gebäude fließen. In dieser Zukunft hat man sicher auch Lärm reduziert: Keine hupenden Autos, kein Baustellenkrach – stattdessen hört man menschliche Stimmen, Lachen, Musik auf den Plätzen. Ja, Musik könnte die Gesellschaft sogar durchziehen: Vielleicht gibt es öffentliche Konzepte wie tägliches gemeinsames Singen oder Klangskulpturen in der Architektur. Als Moodboard-Vergleich: In Her wurden viele Szenen durch sanfte, melancholische Klavier- und Streicherklänge getragen, die ein Gefühl von Intimität vermittelten. „Der Mensch von Gestern“ darf ruhig eine Prise mehr Euphorie einstreuen, wenn am Höhepunkt der Episode der Knoten beim Protagonisten platzt – hier könnte die Musik anschwellen, ein bisschen so, als würde man in der Ferne einen Jubelchor erahnen (ohne pathetisch zu sein). Auch Stille wird ein Gestaltungsmittel sein: Momente, in denen der moderne Mensch in dieser neuen Welt innehalten darf, atemlos vor Staunen – da kann Schweigen viel aussagen, untermalt nur vom Wind oder entfernten Kinderstimmen. Insgesamt soll die klangliche Welt dem Zuschauer das Gefühl geben, geborgen und aufgehoben zu sein – eben wie der „Mensch von Gestern“ sich langsam fühlt. Vielleicht wagt die Serie auch kleine experimentelle Einfälle: z.B. episodenspezifische Klangfarben (eine Episode, die sich um Trauma dreht, nutzt dissonante Klangteppiche, die sich auflösen, je mehr Heilung eintritt; eine Episode über Leistungsdruck hat anfangs ein treibendes Metronom in der Musik, das am Ende in einen freien Rhythmus übergeht). Solche Ideen können aus Moodboards, die visuelle Inspiration liefern, abgeleitet und ins Akustische übersetzt werden.
Bildsprache und Symbolik: Visuell könnte „Der Mensch von Gestern“ reich an Symbolen sein, die erst beim zweiten Hinsehen wirken. Etwa spiegelt ein architektonisches Detail die Charakterentwicklung wider: Im Hintergrund einer Schlüsselszene erblüht eine futuristische Pflanze genau in dem Moment, in dem der Protagonist Hoffnung schöpft. Oder die Kamera fährt zu Beginn jeder Folge an einem Stadtwandgemälde vorbei, das das Thema der Episode künstlerisch vorwegnimmt (z.B. zwei Hälften eines zerbrochenen Herzens, die in der letzten Szene zusammengefügt sind). Die Kostüme könnten ebenfalls Erzählung transportieren: Anfangs trägt der Fremde vielleicht noch seine alte Kleidung, die auffällig aus dem Rahmen fällt – im Laufe der Episode wird er in irgendeiner Weise „eingekleidet“ in die neue Welt, sei es wörtlich (er bekommt neue Kleidung, die er anfangs als seltsam empfindet, am Ende aber stolz trägt) oder metaphorisch (er übernimmt eine Rolle in der Gemeinschaft und bekommt z.B. ein Abzeichen/Symbol dafür). Licht und Schatten ließen sich metaphorisch einsetzen: In Momenten des Zweifels mag der Protagonist selbst in dieser hellen Welt einen Schatten aufs Gesicht bekommen – bis er die innere Entscheidung trifft, sich zu öffnen, woraufhin er wortwörtlich ins Licht tritt.
All diese visuellen und klanglichen Ideen sollen einen Zweck erfüllen: die Utopie sinnlich erfahrbar machen. Zuschauer*innen sollen nicht nur intellektuell begreifen, dass diese Zukunft besser ist – sie sollen es spüren: durch staunende Augen und offene Ohren. Im besten Fall erzeugt „Der Mensch von Gestern“ echte Immersion: Man vergisst für 45 Minuten die eigene Welt und taucht in diese Zukunft ein, und wenn man zurückkehrt, bleibt ein Nachklang von Hoffnung und Inspiration. Genau das leisten starke audiovisuelle Konzepte.
Fazit mit Vision
„Der Mensch von Gestern“ ist mehr als ein Serienkonzept – es ist ein gedankliches Experimentierfeld für unsere Zukunftshoffnungen. In einer Ära, die von dystopischen Erzählungen dominiert wird, sendet diese Miniserie ein klares Signal: Der Blick nach vorn darf sich nicht im Schatten verlieren. Indem jede Episode zeigt, wie ein vom Heute gezeichneter Mensch im Morgen genesen kann, schafft die Serie eine tief berührende Verbindung zwischen Gegenwart und Zukunft. Sie erinnert uns daran, dass – in den Worten Hannah Arendts – „mit jedem Menschen etwas Neues in die Welt kommt“, und dass nur aus der vollen Erfahrung dieser Fähigkeit Glaube und Hoffnung erwachsen können. Jeder „Mensch von Gestern“ in der Serie steht für unzählige echte Menschen von heute, die auf eine zweite Chance hoffen – auf Verständnis, auf einen Ort, wo sie nicht kämpfen müssen, sondern sein dürfen.
Die Vision, die aus „Der Mensch von Gestern“ spricht, ist letztlich eine zutiefst humanistische. Sie vertraut darauf, dass der Mensch formbar ist zum Guten, wenn die Umstände es begünstigen. Das soll keine Entschuldigung für Fehlverhalten sein, sondern ein Appell an uns alle, die Umstände zu verbessern – im Kleinen wie im Großen. Wenn eine TV-Serie es schafft, Millionen Zuschauer*innen emotional vorzuführen, wie schön eine gerechte, kluge, mitfühlende Welt sein könnte, dann erhöht das den gesellschaftlichen „Druck des Möglichen“: Plötzlich erscheint Veränderung nicht mehr utopisch unrealistisch, sondern greifbar. Wie Erich Fromm sagte, müssen wir hoffen auf eine vernünftige Gesellschaft – und Hoffnung ist bekanntlich der erste Schritt zur Verwirklichung.
Man stelle sich vor, die Serie läuft erfolgreich und wird breit diskutiert. In Feuilletons debattiert man darüber, ob das Gezeigte wirklich erreichbar ist oder naive Träumerei. Soziolog*innen analysieren, welche Elemente der utopischen Gesellschaft vielleicht bereits in Keimform existieren (etwa in Skandinaviens Bildungssystemen oder indigenen Gemeinschaftsstrukturen). Fans bilden Online-Foren, um über die philosophischen Anspielungen zu sprechen und Visionen für die echte Welt abzuleiten. Vielleicht inspiriert eine Episode sogar konkrete Projekte – z.B. eine Stadt, die ein experimentelles Begegnungszentrum nach dem Vorbild der Serie baut, wo sich getrennte Bevölkerungsgruppen austauschen können. Dies mag jetzt spekulativ klingen, aber genau so wirken Kulturprodukte oft weiter, als man denkt: Sie säen Ideen. Und „Der Mensch von Gestern“ ist ein Samenkorn voller Ideen für ein besseres Miteinander.
Zum Schluss kehren wir zur Ausgangsfrage zurück: Warum jetzt? Weil wir an einem Kipppunkt stehen. Die Probleme von heute – ob Klimawandel, soziale Ungleichheit oder politische Extreme – haben dystopisches Potenzial, ja. Aber sie tragen auch den Keim für kollektives Umdenken in sich. Ein breites Publikum mit einer positiv visionären Serie zu erreichen, heißt, diesem Keim Wasser und Licht zu geben. Utopisches Storytelling, wie es „Der Mensch von Gestern“ betreibt, ist kein Eskapismus, sondern ein Akt der Ermutigung. Es liefert einen Kompass, wohin wir uns als Gesellschaft entwickeln könnten, und macht Mut, den ersten Schritt zu tun. Im Idealfall schauen die Menschen diese Serie und fragen sich hinterher nicht nur „Was wäre, wenn?“, sondern auch: „Warum eigentlich nicht?“ – Warum sollten wir nicht schon heute beginnen, ein wenig von dieser Zukunft wahr zu machen, in unserem eigenen Umgang, in unseren Institutionen?
Die Vision von „Der Mensch von Gestern“ endet also nicht mit dem Abspann der letzten Folge. Sie lebt weiter in den Köpfen und Herzen der Zuschauer. Sie lädt uns ein, die Welt von morgen in der Gegenwart zu suchen. Vielleicht ist das die größte Stärke dieses originellen Serienkonzepts: Es erzeugt ein Gefühl der Sehnsucht – nicht nach fernen Galaxien oder Fantasy-Reichen, sondern nach unserer eigentlichen menschlichen Bestimmung. Und diese Sehnsucht kann ungeahnte Kräfte freisetzen, im Einzelnen wie im Kollektiv.
Um mit Donna Haraway zu sprechen: „Es kommt darauf an, welche Geschichten Welten machen.“ „Der Mensch von Gestern“ erzählt eine Geschichte, die unsere Welt zum Besseren formen könnte – indem sie uns zeigt, dass eine bessere Welt aus uns selbst heraus entstehen kann. Es ist eine Einladung, das Morgen nicht zu fürchten, sondern es mit offenen Armen zu empfangen. Denn wer weiß – vielleicht steckt in uns allen ein „Mensch von Gestern“, der nur darauf wartet, von der Zukunft abgeholt zu werden.
Quelle / WerkAutor:inThema / Bezug zur SerieVerweis (Link)
- Vita activa oder Vom tätigen Leben, Hannah Arendt, Natalität, Neubeginn, politische Handlung, Pluralität, Suhrkamp
- The Sane Society (Wege aus einer kranken Gesellschaft), Erich Fromm, Geistige Gesundheit durch funktionierende Gesellschaften, Kritik an Entfremdung, Fromm Institute
- Haben oder Sein, Erich Fromm, Gegenüberstellung materialistischer und humanistischer Lebensweise ,dtv Verlag
- Staying with the Trouble ,Donna Haraway ,Plurale Erzählungen, hybride Wesen, neues Denken jenseits binärer Systeme ,Duke University Press
- Überwachen und Strafen (Surveiller et punir) ,Michel Foucault ,Strukturierte Macht, Disziplinargesellschaft, Kontrast zur utopischen Machtdezentralisierung ,Suhrkamp